Othmar Eder

Zeitzeichen

22.08.1999 — 25.09.1999

Zeitzeichen Ausstellung Kunsthalle Arbon

von Kathleen Bühler, Kunstwissenschafterin

Vielfalt in der Zeit und das Zeichenhafte sind zwei wiederkehrende Motive im aktuellen Schaffen des Künstlers Othmar Eder (geb. 1955). Realistische Zeichnungen, übermalte Fotokopien, schwarztonige Holzschnitte, abstrakte Farbfeldmalerei und bemalte Objekte formulieren – wie der Titel erklärt – eine bestimmte Beziehung zur Zeit und fungieren als Zeichen.

Die Zeit wird auf verschiedene Weise in Othmar Eders Werk manifest. Zum einen als Bezug zur Aktualität. Das zeigt die Installation aus geschwärzten Druckstöcken (Holz, 30 Teile, 266 . 295 cm, 1999). Diese Arbeit ist während dem Frühsommer in der Kartause Ittingen entstanden, einem Ort, den der Künstler wegen seiner besonderen Stimmung und der dort möglichen Konzentration in der Abgeschiedenheit immer wieder zum Arbeiten aufsucht. Als Bildvorlage verwendete er Zeitungsfotografien, aktuelle, vergängliche, für den Tagesgebrauch bestimmte Bilder, die lediglich der Illustration des Zeitgeschehens dienen und sonst keine weiter Gültigkeit beanspruchen. Durch die Umsetzung dieser Zeitungsbilder, die zum Teil vom Kosovo-Krieg aber auch von ganz harmlosen Orten wie einem Konzert oder aus der Badeanstalt stammen, in ein anderes Medium, werden sie aus ihrem Zusammenhang gelöst und in der Installation durch die neue Anordnung über ihren tatsächlichen Inhalt befragt. Die Schwarztonigkeit der Druckstöcke und die ins Holz gehauenen Kerben machen eine verborgene Bedrohlichkeit sichtbar, bedenkt man, dass der Künstler die Zeichnung auch hätte erhaben machen und den Bildhintergrund hell gestalten können. Die Gewalt, die von den Abbildungen aus dem Kosovo-Krieg ausgeht, greift auf die anderen Szenen über. Die Darstellungen einer Bücherwand, eines tanzenden Paares und der Holzplanken in der Badeanstalt wirken gleichermassen unheilvoll. Indem der Künstler die Gleichzeitigkeit von tragischen und banalen Ereignissen aufzeigt, verweist er auf die grausame Absurdität der Kriegsrealität. Denn während die Einwohner Mitteleuropas ihren Freizeitbeschäftigungen nachgehen (baden, ins Konzert gehen, Tanzen und Setzlinge pflanzen) bringen sich in Südosteuropa die Leute um. Die Nachbarschaft von Kriegs- und Freizeitbildern in der Installation ist ein Hinweis darauf, dass nicht nur unzivilisierte Barbaren Krieg führen, sondern, dass es dieselben Menschen sind wie wir, die zuvor noch ebenso kultivierten Tätigkeiten nachgingen.

Zeitlichkeit in der Arbeitsweise

Auch die Arbeitsweise Othmar Eders entwickelte sich in zeitlichen Dimensionen. Er gehört zu den Künstlern, die ihre Werke immer wieder überarbeiten und selbst die fertigen Bilder ständig zu neuen Sinneinheiten zusammenstellen.

Statt spontaner Geste und impulsiver, rasch hingeworfener Skizzenhaftigkeit herrschen bei ihm genau beobachtete, sorgfältige Zeichnungen vor. Der Prozess der Bildfindung und das unermüdliche Feilen an seiner Formulierung erzeugt ausdrucksstarke, vielschichtige Werke. Denn es kommen nicht nur Materialschichten dazu, sondern auch inhaltliche Ergänzungen, welche die aktuelle Befindlichkeit des Künstlers und seiner Umgebung ins Bild einfliessen lassen. So erfassen Othmar Eders Zeichnungen, Holzschnitte und Malerei seismographisch Stimmungen und Erinnerungen. Dass der Künstler sich in diesem Prozess nicht nur mit einer gültigen Version der Bildfindung zufrieden gibt, zeigen die unterschiedlichen Varianten des gleichen Sujets, z.B. das Motiv des Gewächshauses. Othmar Eder variiert es in verschiedenen Ansichten und Techniken; als dokumentierende Farbfotografie, als schwarz-weisse Zeichnung mit viereckigen Aussparungen oder als teilweise übermalte Fotokopie.

Konservierung und Erinnerung

Das Schichtprinzip kehrt wieder in den monochromen Gemälden, die bis zu siebzig Mal bemalt werden, so das die Farbhaut undurchdringlich dicht wird und aus dem Innern geheimnisvoll schimmert. Othmar Eder mischt der Farbe zusätzlich Asche bei, welche eine besondere Konsistenz und Oberflächenstruktur erzeugt. Asche besitzt zudem starke symbolische Aspekte. In fast jeder Kultur gilt sie als Zeichen der Vergänglichkeit und der Hoffnung auf Wiederauferstehung. Der besondere fruchtbare Nährboden Asche ist ein Zeichen für Metamorphose, wie der Phoenix-Mythos endrucksvoll beweist. Einen besonderen Bezug zur Zeit verkörpern die Objekte am Boden. Es sind Zeichen für verschiedene Lebensstationen Othmar Eders.; Teilweise sind es Fundstücke von Reisen (Mastix-Siebe von Chios, Holz von der Alp und aus der Kartause, zusammengerollte und verklebte Leinwände), die er bemalt und damit konserviert. Es sind aber auch alltägliche Spuren, die der Künstler durch die Bearbeitung der Vergänglichkeit entzieht. Etwa Staubsäcke vom Staubsauger, die er verklebt und bemalt. Im Aufbewahren des persönlichen Staubes und Dreckes – im wahrsten Wortsinn eine Arte povera – , betreibt Othmar Eder private Archäologie des Alltags. Indem er die Spuren seines täglichen Lebens konserviert, bereitet er sie für die nachträgliche Erinnerungsarbeit auf. Erinnern ist eine Tätigkeit, die zur Abwehr des Vergessens und der Vergänglichkeit dient und damit letztlich um den Tod kreist. Die reine Konservierung allein enthebt ein Objekt allerdings noch nicht dem Prozess des Verfalls. Das beweisen Historische Museen, die statt ganzen Funktions- und Lebensbereichen nur Einzelobjekte in Vitrinen ausstellen, die ihres Kontextes enthoben leblos und verloren wirken.

Dialog mit der Vergangenheit

Erinnerung bleibt nur dann lebendig und dient im besten Fall zur Orientierung im gegenwärtigen Lebensabschnitt, wenn sie immer wieder mit aktuellen Erlebnissen verknüpft wird. Dieses Wissen liegt Othmar Eders Strategie zugrunde, seine Zeichnungstafeln, Malereien und Holzschnitte in immer neuen Zusammenstellungen zu präsentieren. Auf diese Weise bringt er Bilder vom Arbeitsaufenthalte auf der griechischen Insel Chios mit solchen aus der Kartause in Berührung, er ermöglicht den Dialog zwischen Zeichnungen aus seiner Heimat Tirol und Erlebnissen mit seiner Familie in der Schweiz, er bringt die Reisen nach Paris und Madrid zurück in den häuslichen Alltag und erhält sie durch diesen Kontakt lebendig. Die Strategie des Zusammenbringens lässt sich bis in die dialogische Struktur der Gemälde verfolgen, ihrer Komposition in und zwei und mehr Felder. Durch diese Vorgehensweise entpuppt sich Othmar Eder als Dialog- und Sinnstifter. Indem er die unterschiedlichen Erlebnisbereiche neu verknüpft, kann er auch seine Wahrnehmung überprüfen. Erinnerung hat mit Wahrnehmung zu tun, die einem steten Wandel unterworfen ist. Vielleicht ist das der Grund, weshalb der Künstler auf dieselben Motive zurückgreift, sie wie ein Musiker „sampelt“ und aus verschiedenen Perspektiven zeigt.

Privat Kunst

Othmar Eders Kunst wurzelt im privaten Erleben. Viele Arbeiten besitzen persönlichen Erinnerungswert. Dennoch gelingt es ihm, die Zeitzeichen auch für die Betrachter zu öffnen und sprechen zu lassen, ohne die privaten Inhalte der voyeuristischen Betrachtung preiszugeben. Gerade ihre Vielschichtigkeit und Rätselhaftigkeit weckt Assoziationen und eigene Erinnerungen im Betrachter und in der Betrachterin. Das zeigt die Arbeit mit den aufgeschlagenen und bemalten Buchdeckeln (verschiedene Materialien, mehrteilig, 1997-1999, 220 x 239 cm), die zu einer Bilderinsel ausgelegt sind. Es sind visuelle Tagebücher, gezeichnete und gemalte Journaux intimes und erinnern an ein Gedicht des Psychologen und Lyrikers Erich Fried: „Er sagt/ Ich kann dich lesen wie ein offenes Buch / und er glaubt / dass er jedes Buch das er liest / auch verstehen kann.“

Impressionen Ausstellung


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Samstag und Sonntag: 13 – 17 Uhr

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